Gesprächskreis in Friedrichroda stieß auf reges Interesse

Wie bei jedem Zeidner Nachbarschaftstreffen seit 1997 stand auch beim diesjährigen Treffen in Friedrichroda ein ortsgeschichtlicher Gesprächskreis, es war der 16. ZOG, auf dem Programm.

Helmuth Mieskes, der seit dem Tod von Balduin Herter im Herbst vorigen Jahres die alleinige Organisation und Leitung dieses Gesprächskreises übernommen hat, freute sich bei der Begrüßung, fast 100 interessierte Zeidner und Zeidnerinnen willkommen zu heißen.

Das Hauptreferat des Nachmittags war Frau Katharina Unberath aus Fürth vorbehalten. Mit ihrem für unseren Gesprächskreis - auf den ersten Blick - etwas ungewöhnlichen Beitrag "Kann der preisgekrönte Roman ,Atemschaukel' von Herta Müller uns Zeidnern etwas sagen?" versetzte sie uns in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und ließ uns über verschiedene Lesepassagen am Leben eines jungen Deportierten aus Siebenbürgen im russischen Arbeitslager teilhaben. Sie erzählte sehr anschaulich über die Erfahrung des Hungers und das von den Deportierten erlebte Elend. Dabei ging sie mit markanten Lesebeispielen auf die besondere poetische Sprache und die Sprachkraft der Nobelpreisträgerin ein und fügte hinzu, dass es Herta Müller in ihrem preisgekrönten Buch (2009 erhielt Herta Müller für den Roman " Atemschaukel" den Literatur- Nobelpreis) in hervorragender Weise gelungen sei, das Elend im Lager - Hunger, Erniedrigung, Grauen und Kälte miteinbegriff en - in eine außergewöhnliche Sprache zu fassen. Mit Auszügen aus verschiedenen Rezensionen in der deutschsprachigen Presse machte Frau Unberath zudem deutlich, dass Müller in vorbildlicher Manier historische Wirklichkeit und Erinnerung (gemeint ist die Erinnerung von Oskar Pastior alias Leo Auberg ) in ihrem Roman verbindet und dem Leser diese grauenvolle Zeit (über die schon vielfach berichtet wurde) vor Augen führt.

Am Schluss ihrer Ausführungen zu diesem Roman stellte Katharina Unberath mit Zeitzeugenberichten aus dem näheren Familienkreis den Bezug zu den Deportierten aus Zeiden her und warf die Frage auf, wie diese Menschen die Deportation und das russische Arbeitslager damals erlebt und welche Erfahrungen sie während der Deportationszeit gemacht haben. Leider waren nur sechs Zeitzeugen im Saal, so dass die anschließenden Wortmeldungen nur einen winzigen Bruchteil von dem wiedergeben konnten, was die in die damalige Sowjetunion deportierten Zeidner und Zeidnerinnen in den Jahren 1945 bis 1949 erleben und ertragen mussten.

Unter dem Titel "Gewerbe und Handel in Zeiden" versuchte Udo Buhn mit einem Kurzbeitrag die Aufmerksamkeit der Zuhörer auf eine neue Dokumentation zu richten, die wir dem Hinweis (siehe Zeidner Gruß Nr. 111, Seite 40/41) und der ausdrücklichen Bitte von Erhard Kraus verdanken. Besonders die präsentierten Foto- und Werbebeiträge machen deutlich, dass dieser bisher sehr oberflächlich recherchierte Bereich eine weitere Möglichkeit bietet, das Zeidner Wirtschaftsleben im Detail in Wort und Bild darzustellen und die Wichtigkeit des Gewerbes und des Handels für die Entwicklung der Gemeinde Zeiden (nach Gartenbau und Landwirtschaft ) in einer weiteren Broschüre umfassend zu würdigen. Dass die Bewältigung dieser neuen Aufgabe nur mit vielseitiger Mithilfe möglich sein wird, stellte Udo Buhn abschließend heraus.

In dem Buch "Zeidner Wanderwege", das pünktlich zu diesem Nachbarschaftstreffen als Heft 18 in der Schriftenreihe "Zeidner Denkwürdigkeiten" erschienen ist, hat Hans Wenzel Erinnerungen in Geschichten und Gedichten rund um den Zeidner Berg in einer sehr gelungenen Art und Weise festgehalten. Hans Wenzel erzählte kurz die Entstehungsgeschichte seiner zweiten Herausgabe und hob besonders den guten Teamgeist bei der Fertigstellung der Broschüre hervor. Mit zwei amüsanten Leseproben in Deutsch und Sächsisch machte er die Anwesenden neugierig auf diese anschauliche Mischung aus Bild und Text (auch im Zeidner Dialekt) und ließ dabei sehr wohl erkennen, dass für ihn das in der Natur der Zeidner Umgebung Erlebte trotz mancher Unwägbarkeit stets mit Freude und Genuss verbunden war.

Helmuth Mieskes dankte Hans Wenzel für seine unermüdliche Arbeit und würdigte insbesondere seine Tatkraft und Energie bei der Erstellung seines zweiten Buches.

Im Anschluss nutzte Franz Buhn die Gelegenheit, mit "Das Musikleben in Zeiden" offiziell ein neues Buchprojekt mit einer nostalgischen Bilderpräsentation vorzustellen. Dabei wurde auf die zu dokumentierenden Musiksparten (von der Blaskapelle bis hin zum Kirchenchor) und die einzelnen Zeitabschnitte bis 1989 hingewiesen. Franz Buhn erinnerte in seiner Einleitung an das reichhaltige, vielseitige und durchaus erfolgreiche Zeidner Kulturgeschehen und die vielfältigen Musikformationen, an Kapellen, an Chöre, Solisten, Instrumentalisten, an Chorleiter und Organisten der letzten 100 Jahre und gab zu erkennen, dass er diese nun beginnende Dokumentationsarbeit und die spätere Herausgabe einer Broschüre in erster Linie auch als Würdigung der Zeidner Kulturarbeit verstanden wissen will. Er forderte die Zeidner und Zeidnerinnen auf, beim Zusammentragen von Material (Bildmaterial, Dokumenten, Archivalien) aktiv mitzuhelfen und Hinweise weiterzugeben, um dem Anspruch, den wir alle an so eine Dokumentation stellen, gerecht zu werden.

Mit einer Rückblende auf die momentane und einer kleinen Vorschau auf die künftige Arbeit im ZOG stellten die Organisatoren dieses Gesprächskreises, Udo Buhn und Helmuth Mieskes, fest, dass die Vielfalt an Themen - über Geschichte und Heimatkunde bis hin zur Gegenwart -, die für unsere Gesprächskreise geeignet sind, nach wie vor unerschöpflich ist. Für den Vorstand der Zeidner Nachbarschaft gilt es weiterhin, die bisher sehr erfolgreiche Arbeit im ZOG weiterführen zu lassen, nach Kräften zu unterstützen und verstärkt Ausschau nach Mitarbeitern und Referenten zu halten.

Der Altnachbarvater versicherte den Anwesenden, dass er künftig verstärkt im ZOG mitarbeiten und gemeinsam mit Helmuth Mieskes die Arbeit im Sinne Balduin Herters fortführen werde.

Helmuth Mieskes, Böbingen