10. Zeidner Ortsgeschichtliche Gesprächskreis (ZOG) am 28. April 2007 in Augsburg:

Neues Thema stößt auf Interesse

Am 28. April 2007 fand im Gemeindesaal der St. Andreas Kirche in Augsburg der 10. Zeidner Ortsgeschichtliche Gesprächskreis (ZOG) statt, zu dem Organisator Helmuth Mieskes 37 Teilnehmer unterschiedlichen Alters, darunter auch einige Mitglieder des Vorstandes der Zeidner Nachbarschaft, begrüßen konnte.

Mieskes überbrachte dabei die herzlichen Grüße der Altnachbarväter Balduin Herter und Volkmar Kraus, die aus unterschiedlichen Gründen bei diesem 10. – dem selbsternannten Jubiläumsgesprächskreis – nicht dabei sein konnten.

Nach einem Begrüßungssekt und einem willkommenen Kaffee- und Brezelfrühstück, welches Hannelore und Jürgen Scheiber mit ihrem fleißigen Helferteam organisiert hatten, nahm H. Mieskes die Möglichkeit wahr, auf das neu gewählte Thema – „Volksgruppenzeit, Kriegszeit, Nazizeit und Nachkriegszeit in Zeiden“ näher einzugehen und die wichtigsten Beweggründe, die zur Auswahl dieses Themas geführt hatten, zu nennen. Dabei hob er bewusst hervor, dass sich der Vorstand der Zeidner Nachbarschaft in seiner Frühjahrssitzung 2007 in Dinkelsbühl eingehend mit der Thematik befasst und die Argumente der ZOG-Verantwortlichen zur Kenntnis genommen hatte. Letztendlich stimmte der Vorstand dem Antrag der ZOG-Organisatoren B. Herter und H. Mieskes mehrheitlich zu (es gab natürlich auch kontroverse Meinungen) und gab das Thema für den 10. Gesprächskreis zur Aufarbeitung frei.

Mieskes wies in seiner detaillierten Einführung auf die Schwierigkeiten der Vergangenheitsbewältigung bei uns Siebenbürger Sachsen hin und legte sein besonderes Augenmerk auf die bisher unbefriedigenden und lückenhaften Publikationen und Veröffentlichungen, die Zeidens Geschichte in den Jahren 1933 bis 1949 ja bis 1956 betreffen. Abschließend bemerkte er, dass es dem Gesprächskreis fern liegt, die Geschichte dieser Zeitspanne wissenschaftlich und archivaisch genau zu dokumentieren, (dies geschieht anderweitig sowieso), Recherchen besonderer Art zu betreiben, nach Schuldigen zu fragen oder gar eine Klassifizierung zwischen Gut und Böse vorzunehmen. Viel mehr soll es seiner Meinung in erster Linie darum gehen, für die interessierten Teilnehmer zufrieden stellende Antworten auf einfache Fragen zu finden wie: Wie war das damals in Zeiden, wie haben die Zeidner/innen diese Zeit erlebt, welche markanten Begebenheiten aus dieser Zeit sind für uns so wichtig, dass man sie zur Kenntnis nehmen und festhalten muss?

Den Einstieg in die Tagesordnung und in die Reihe der vorgesehen Beiträge bildeten Auszüge aus den Tagebuchaufzeichnungen von Michael Königes vom 23. August 1944 bis 12. Januar 1945. Diese in ihrer Länge unterschiedlichen Aufzeichnungen eines kritischen Beobachters ließen sehr wohl erkennen, wie die Stimmung nach dem Umsturz vom 23. August 1944 in Zeiden war, welche Ängste in der Einwohnerschaft aufkamen und welche Wahrnehmungen und schlimmen Befürchtungen (die sich später bewahrheiten sollten) für Königes wichtig erschienen.

Mit dem Beitrag „Zwischen Himmel und Hölle – Erinnerungen aus den Jahren 1940 bis 1945“ trug Netti KönigesTagebuchaufzeichnungen ihrer Mutter Hedwig Voinea geb. Martonyi vor. Im Gegensatz zu Michael Königes, der sich in seinen Aufzeichnungen fast ausschließlich mit den Geschehnissen in der Gemeinde beschäftigte, wurde der Zuhörer bei diesem Beitrag mit der persönlichen Lebensgeschichte von Hedwig Martonyi, ihrem beruflichen Werdegang und den Berührungspunkten zur Deutschen Jugendorganisation im Banat und in Siebenbürgen in den Jahren nach 1939 konfrontiert. Dabei erfuhr er interessante Apekte über die Schwerpunkte und den Aufbau nationalsozialistischer Jugendarbeit, über die Bedeutung des Pflichtjahres, über die Tagesabläufe in der Führerinnenschule, über die Stationierung der deutschen Soldaten und die Rekrutierung von Freiwilligen in Zeiden, die denkwürdige und schicksalhafte Nacht zum 23. August 1944 und vieles mehr.

Der dritte Beitrag „Die bewegte Lebensgeschichte eines 18-Jährigen – 1941, ein junger Zeidner auf dem Weg ins Reich“, der von H. Mieskes vorgetragen wurde, beschäftigte sich hauptsächlich mit den einfachen aber für die damalige Zeit durchaus verständlichen Beweggründen eines jungen Zeidners, der 1941 der Einberufung zum rumänischen Militär aus vielfältigen Gründen entfliehen und an der Seite von deutschen Soldaten in der deutschen Wehrmacht, für sein Vaterland Deutschland, kämpfen wollte.

Der emotionale Beitrag, der auszugsweise persönlichen Lebenserinnerungen entnommen wurde, machte in besonderer Weise (stellvertretend für viele) die nationale Gesinnung eines jungen Zeidners in der damaligen Zeit und die Identifizierung mit der damals verbreiteten nationalsozialistischen Ideologie deutlich.

Der von Monika Santa, geb, Maior, vorgetragene Beitrag von Otto Christel „Die gejagten Sachsen in Zeiden im Jahr 1945“ erzählte die persönliche Geschichte von Otto Christel im Jahr 1945. Darin versucht er (damals 17 Jahre alt) seine Erinnerungen an diese Zeit zusammenzufassen und seine Erlebnisse authentisch zu schildern. Besonders Augenmerk richtet er dabei auf die Geschehnisse bei der Einsetzung der neuen Eigentümer (proprietar nou) auf die sächsischen Höfe in Zeiden, die mit Hass erfüllten Aktivitäten der „frontul plugarilor“ gegen die Sachsen, auf die zwangsweise Einweisung von Sachsen ins Lager „Tränengrube“ nach Kronstadt und auf das karge Lagerleben im Arbeitslager Bradet bei Persani. Besonders an diesem Beitrag wurde deutlich, wie wichtig es ist Zeitzeugen weiterhin zu befragen und sie zu ermuntern, Otto Christels Beispiel zu folgen und die eigenen Erinnerungen zu Papier zu bringen.

Der letzte Beitrag „Erlebnisbericht eines 15-Jährigen aus dem Lager Tränengrube im Jahr 1945“, den Hannelore Scheiber für Erwin Hans Aescht vortragen dufte, verschaffte dem Zuhörer einen kleinen Einblick über die Hintergründe der Einweisung von Zeidner Familien ins Arbeitslager „Tränengrube“ und die 1945 dort herrschenden Zustände und Lebensbedingungen. Auch wenn diese zwangsweise Einweisung nur wenige Tage dauerte, war Erwins präzisem Beitrag einerseits die Angst vor dem morgigen Tag, aber andererseits auch die plagende Ungewissheit über das Schicksal der Familie spürbar zu entnehmen.

Da sich nach jedem Beitrag die Möglichkeit zur Aussprache ergab, machten vereinzelte Wortmeldungen und Klarstellungen deutlich, dass besonders bei der älteren Generation nach wie vor noch nicht mitgeteiltes Wissen über diese Zeit vorhanden ist. Viele Stichwörter, Begriffe und auch Namen waren dazu angetan, dazu Stellung zu nehmen und Erinnerungen wach zu rufen. Wortmeldungen zu verschiedenen zusätzlichen Fragen, die diese Zeit betreffen, gaben klar zu erkennen, dass die Hemmschwelle zu erzählen durch die Fülle der verschiedenen Beiträge gebrochen wurde und dass die Diskussion und das Gespräch durchaus weiter geführt werden müssen.

Abschließend konnte H. Mieskes erfreut festhalten, dass der Wunsch der Teilnehmer, das Thema intensiv weiter zu verfolgen, vorhanden ist und dass die ZOG-Verantwortlichen ermuntert werden, verstärkt Befragungen bei Zeitzeugen durchzuführen.

Mit Informationen zu bestehenden Dokumentationen, an denen weitergearbeitet wird (Amateurtheater Zeiden, Zeidner Waldbad, Zeidner Persönlichkeiten, zweisprachige Kurzchronik Zeiden/Codlea) oder zu neuen ZOG-Vorhaben, die in der Warteschleife stehen (Lexikon Zeiden) leitete Mieskes am späten Nachmittag zu einer Diatonvorführung von Willi Roth (Augsburg) über. Mit der Aufzeichnung „Das Zeidner Kronenfest von 1978“ aus seiner Diatonserie „Das Burzenland im Festgewand“, einem wahrhaftig gelungenen Zeitdokument – bot W. Roth zum Schluss ein willkommenes und zugleich abwechselungsreiches Kontrastprogramm, das von den Teilnehmern mit berechtigtem Applaus dankbar angenommen wurde.

Damit ging ein interessanter Gesprächskreis mit der wichtigen Erkenntnis zu Ende, dass für uns Zeidner 2007 die Zeit durchaus reif ist, um sich verstärkt mit Geschichtsthemen der Jahre 1933 -1949 auseinander zu setzen. Es bleibt zu hoffen, dass die notwendige und erneut eingeforderte Mitarbeit und vor allem unerlässliche Zuarbeit dazu führt, dass bestehende Geschichtslücken in der Geschichte Zeidens für uns alle zunehmend zufrieden stellend geschlossen werden.

Mit dem Dank von Nachbarvater Udo Buhn an Helmuth Mieskes für die Vorbereitung und Durchführung des Gesprächskreises und dem Dank aller Teilnehmer an die Adresse der Augsburger Helfer und Gastgeber für die köstliche Bewirtung, wurde der 10. Gesprächskreis beendet.

Helmuth Mieskes, Böbingen, den 01. Mai 2007