05.10.2015

„Und wehe ihr feiert nicht!“ –

(Thorsten K., Krankenhaus Immenstadt)

Das 5. Zeidner Motorrad- und Wandertreffen, kurz MoWa-Treffen, wäre eigentlich bereits mit einem Satz erklärt: „Es war toll - trotz des Abfliegers eines Thorsten K., aus Augsburg.“ Aber ich weiß: Den gemeinen, sowie anspruchsvollen Zeidner Leser befriedigt das nicht. Also gut, ich sauge mir nun eine wilde Geschichte aus den Fingern.

Die folgende Erzählung mag etwas diffus, ironisch, heiter und völlig übertrieben klingen, aber sie stimmt so in ungefähr.

Das Tannheimer Tal in Österreich. Im Sommer das kleine Rimini der Alpen. Überfüllt von gestressten und unzureichend ausgerüsteten Touris und bewohnt von einem rustikal-sympathischen Volk, das man leider - auch nüchtern - nur sehr schlecht versteht. Herrliche Berge, schöne Aussichten und leckere Asphaltkurven warten dort auf einen. Alles nicht so hoch und so teuer wie in der Schweiz. In der Regel kommt man ins Tannheimer Tal mit innerer Hektik an und geht mit mehr Ruhe wieder raus. - Doch nicht mit uns Zeidnern! „Geschlafen und ausgeruht wird zu Hause!“ – Beim MoWaTreffen legt man sich nicht zum Schlafen hin, sondern wartet nur liegend darauf, wieder voller Tatendrang in Aktion treten zu können! Durch diesen verschwenderischen Schlafentzug erhält ein jeder MoWa-Teilnehmer in nur einem Wochenende einen gestählten Körper und Geist, der die Mühen des Alltags danach wieder mit einem Fingerschnippen und Augenzwinkern bewältigen lässt. Es wird gemunkelt, dass MoWa-Teilnehmer nach einem solchen Treffen, jünger, attraktiver und mit einer absurd gewinnenden Ausstrahlung wieder nach Deutschland zurückkehren. Nicht umsonst tragen MoWa-Teilnehmer voller Stolz die Eigenbezeichnung „MoWaner“. Wie machen die das? Man muss ein MoWaTreffen einfach nur erlebt haben, bzw. überlebt. Das ist alles. Der Thorsten K., der weiß Bescheid.

Doch wir beginnen von vorne. Das Zeidner Motorrad- und Wandertreffen feierte in diesem Jahr das 5. Jubiläum. Wie es sich gehört, peitschten die Organisatoren Rüdiger und Ralf wieder einmal circa 40 Teilnehmer in letzter Sekunde mithilfe diverser Androhungen zusammen, um auch in diesem Jahr die angemietete Hütte „Wirtshaus beim 9er-Köpfle“ vollzukriegen. Selbst gestandene Männer über 50 gaben ihren Widerstand auf, nachdem der Satz aller Sätze fiel: „Wenn Du nicht kommst, muss ich mit deiner MUTTER reden.“

Die Rechnung ging auf: Gut über 40 Zeidner und Reingeschmeckte reichten auch bei diesem Treffen aus, um locker 100 Karnevalisten aus dem Kölschen Raum gnadenlos in den Sack zu stecken. Das Treffen fand Ende September statt. Der 25. bis zum 27.9. reichte auch dieses Mal wieder aus, um den Hüttenwirt um Jahre altern zu lassen. Ständig hielten wir Zeidner ihn und seine robust lächelnde Gattin durch nie endenden Durst in Schach.

Der Freitag begann so wie bei jedem Treffen: gemütliches Zusammentrudeln der Teilnehmer, mit gemeinsamem Abendessen und Besprechung der Motorradtouren für den darauffolgenden Tag. Jedenfalls machen die Biker das so, jedes Jahr. Der gemeinsame Konsens der Wanderer lautet stets: „Ja, je nach Wetter… gehen wir dann wohin, nä?“ Rüdiger und Ralf hielten wieder einmal eine ermüdende und völlig langweilige Rede. Irgendetwas mit „Danke fürs Kommen…“, gespickt mit organisatorischen Details. Ähnlich einem Edmund Stoiber, hielten die zwei Vorsteher eine – gefühlt – stundenlange Rede, einzig dem Zwecke dienend, ihr Publikum zu quälen. Sie beherrschen meisterlich die Kunst, drei Minuten Rede wie vier Stunden Blabla anfühlen zu lassen. Drei Liter Bier später war auch das wieder vergessen. So, das war der Freitag auch. Die Leute gingen relativ früh ins Bett, da am nächsten Tag SO RICHTIG GEFEIERT werden sollte, - dem eigentlichen Hauptanliegen des Treffens.

Aber „pssst!“, - nicht verraten! Um nach Außen den Schein einer gewissen Seriosität zu wahren, wurden dem Tanzexzess das Motorradfahren und das Wandern vorgelagert. Quasi, das Schwitzen auf der Tanzfläche musste man sich durch das Schwitzen auf dem Motorrad, dem Schwitzen beim Wandern und Sonnenbaden verdienen. Der Samstag: Gemütliches Frühstück mit anschließendem Aufsatteln der Biker. Diese wurden im wahrsten Sinne des Wortes „der Reihe nach“ fotografiert, um ihre Eitelkeit etwas zu zähmen. Die eher lethargisch vor Neid herumstehenden und fotografierenden Wanderer machten ebenfalls ein Foto von sich als Gruppe, um nicht ganz so blass mit den Wanderstöcken auszusehen. Außerdem brauchten sie ja Bildmaterial, um zu Hause anzugeben und um den Zeidner Gruß mit Material zu füllen.

„Der Zeidner war mal auch dieses Mal wieder ein Gott!“ – Äh, anders… „Der Herrgott war auch dieses Mal wieder ein Zeidner!“ Das Wetter war angenehm von den Temperaturen her, trocken und leicht bewölkt. Wie jedes Jahr so hatten wir auch dieses Jahr wieder eine einigermaßen gleichmäßige Aufteilung der Teilnehmer in Biker und Wanderer.

Die rund 15 Biker waren auch dieses Mal wieder aufgeteilt in eine schnelle Truppe und eine gemütlichere, ebenso die 18 Wanderer.

Die sieben Biker der schnellen Truppe wollten ca. 260 Km zurücklegen, die acht der gemütlichen ca. 160 km.

Die Wanderer besprachen sich eine Minute lang und liefen vom „Wirtshaus beim 9er-Köpfle“ zum Vilsalpsee, wo sich sie sich in zwei Gruppen aufteilten. Fünf gemütlich eingestellte Wanderer gingen um den See, die anderen 13 ambitionierten zur Hütte „Obere Traualpe“ am Traualpsee, unweit der Landsberger Hütte. Der Autor spricht jetzt wieder in Ich-Form: Ich war bei den ambitionierten Wanderern dabei. 13 Unerschrockene zählten wir. 13 skrupellose, untrainierte und wildentschlossene Bergbezwinger, mit dem Blick kampflustiger Wikinger. Ich weiß nicht, was die fünf gemütlichen Wanderer um den See trieben, aber ich glaube, sie haben nicht geschwitzt, jedenfalls nicht so sehr wie wir. Die „Obere Traualpe“ war vom Vilsalpsee nicht zu sehen, aber an der Kante des Berghangs zu erahnen. Wir planten mit einer Stunde Wanderung und wussten nicht, was auf uns zukam.

Wir mussten – gefühlt – über tiefe Schluchten, ohne jegliche Sicherung, springen, uns an Steilkanten mit unseren zart eingecremten Fingern entlanghangeln, kreuzende Bären mit bloßen Akademiker-Hausfrauen-Händen erwürgen, uns von Beeren und Gräsern ernähren und aus Pfützen trinken. Und das waren erst die ersten 150 Meter Aufstieg. Ausgemergelte Jack-Wolfskin-Großstädter krochen uns entgegen mit dem Hinweis, dass es auf der Hütte den besten Kaiserschmarrn – vermutlich der Welt – gäbe. Angespornt durch diese lukullische Belohnung rannten wir förmlich schnurrstracks den Berg hinauf, machten unseren eigenen Weg, unsere eigene Schneise. Wir trampelten alles nieder, was uns im Weg stand, rissen Bäume aus und fegten uns den Weg mit unseren Macheten frei. Entgegenkommende Wanderer schwitzten beim bloßen Anblick von unserer aggressiv-attraktiven Model-Wanderer-Truppe. Der Rest ist schnell erzählt. Wir kamen oben an, aßen den wirklich tollen Kaiserschmarrn, machten Fotos und rannten wieder runter, nahmen aus purem Vergnügen die Tingel-Tangel-Bahn ins Dorf-Zentrum und gingen zurück zur MoWa-Hüt

Das andere Jubiläum: Der erste Unfall, bzw. der erste Anlass für die Urkunde:
Vor der Hütte warteten leider folgende Neuigkeiten der ankommenden Biker: Unser Biker Thorsten hatte einen Unfall. Er tuschierte mit einem Reifen die Bordsteinkante beim Herausfahren aus einem halboffenen Tunnel. Das Motorrad überschlug sich mehrmals, Thorsten rollte dabei zum Glück über den ganzen Körper ab. Seine Bekleidung trug kaum Kratzer davon, aber sein Oberarm brach. Aus Zeitgründen wurde ein Helikopter herbei gerufen und brachte ihn in das benachbarte Immenstädter Krankenhaus, nach Deutschland. Rüdiger fuhr, – wirklich vorbildhaft – mehrmals dahin, um sich nach ihm zu erkunden. Thorsten wurde am Arm operiert, konnte aber schon nach dem Aufwachen folgenden Satz an uns andere MoWaner richten: „Und wehe, ihr feiert nicht!“

Darüber glücklich, dass es ihm so schnell wieder besser ging, hielten wir uns streng, ja wirklich streng an seine Worte. Ralf hielt noch einmal eine recht gähnend-langweilige Pfarrersrede, während Rüdiger bei Thorsten weilte. Es wurden Urkunden für die 5. Teilnahme am Treffen verliehen. Die Ehrungen gingen an Karl-Heinz Josef, Egmond Kauffmann, Romeo Morariu, Thomas Kraus und Nory Truetsch. Der Anlass, die Tatsache zu ehren, auf jedem Treffen bisher dabei gewesen zu sein, lässt bei den ausgezeichneten MoWanern auf ein gehöriges Maß Furchtlosigkeit schließen, - oder Langeweile.

So, danach sollte getanzt werden. Doch der Alleinunterhalter „Ole el Jerro“ blieb ohne unsere stumme Erlaubnis fern. Nun denn, selbst Hand angelegt. Der Hüttenwirt Albin wollte zuerst selbst eine Playlist erstellen, auf die wir dann tanzen sollten, doch beim Anblick der Playlist mit Titeln wie „Wenn die Vögel zwitschern“ oder so ähnlich klingende Alpen-Rock-Titeln wusste der Autor, dass das so nichts werden würde. Also legte er selbst Hand an und wurde spontan zu einem sehr schlechten DJ, aber die Leute tanzten darauf. Von alten Hits aus der Disco-Zeit mit „Donna Summer“, den „Trammps“, bis hin zu Rock mit „AC/DC“, „Creedence Clearwater Revival“ war alles dabei. Später durften die 90er nicht fehlen mit „Snap!“, „Dr. Alban“ und anderen Helden aus der „Dance-Zeit“. Die Tanzfläche wurde schnell von den MoWanern und anderen herbeieilenden Gästen beseelt und durch diverse Einlagen von Zeidnern fast spiegelglatt poliert, - quasi wie beim Skitreffen in den 90ern, bloß ohne Schnee. Schweißgebadet und gut gelaunt fielen die letzten Tänzer nach vier Uhr morgens ins Bett.

Sehr wenige Stunden später, beim Frühstück also, wurde bei müdem Lächeln und murmelnd über die Nacht davor reflektiert. Rüdiger und Ralf peinigten wieder einmal alle Teilnehmer, indem sie umhergingen und abkassierten. Mit gefüllten Taschen und tausenden Euros an eingetriebenem Geld verließen sie die Hütte mit schallend lauten Lachen und wurden seitdem nie wieder gesehen.

Diesen Anblick kennend ließ der Rest der Truppe den Sonntag gemütlich ausklingen. Die Biker kurvten gemütlich nach Hause. Die Wanderer genossen die letzte schöne Aussicht aus dem Auto heraus und ein Herr Thorsten K. aus Augsburg wurde nach Murnau überführt, wo er fortan von gutaussehendem, weiblichen Personal betreut wurde, bis er sich wieder bester Gesundheit erfreute. Sein Motorrad wurde zum liegenden Kunstwerk im Garten seiner Eltern und wartet seitdem auf einen liebevollen Ausschlachter.

HAPPY END! – Bis zum nächsten Treffen, ihr tollen MoWaner!

Schön wars!