15.12.2014

1957 – Die gestohlene Weihnachtstanne

Anfang der  fünfziger Jahre fingen die an die Macht gekommenen Kommunisten in Rumänien verschärft gegen die christlichen Feiertage anzukämpfen, ja sie gingen soweit, dass sie jeglichem Glauben im Land den Kampf ansagten und mit allen Mitteln versuchten, die religiösen Feiertage im Land auf breiter Front zu verbieten. So kam es, dass auch die Weihnachtsfeiertage selbstverständlich ins Visier der Kommunisten gerieten. Ähnlich wie in der  kommunistischen Sowjetunion, wo es keine Weihnachten gab, und der Feiertag „Väterchen Frost“ am ersten Tag des neuen Jahres gefeiert wurde, sollte auch in Rumänien dieser staatliche Brauch übernommen und landauf, landab  eingeführt werden.

Doch Verbote halfen in solchen Dingen nur bedingt. Die christliche Tradition und die über Jahrhunderte überlieferten Werte waren stärker als die Verordnung einer von scheinbarem Atheismus geprägten Partei, und so geschah es immer wieder, dass religiöse Feiertage dann gefeiert wurden, wenn der kirchliche Kalender das vorsah. Viele führende Kommunisten auf Kreisebene – und das waren einige in der damaligen Zeit - waren so vernünftig und einsichtig, dass sie beim Verletzen dieser Verbote einfach großzügig, aber dennoch bewusst wegschauten und dabei eine nicht unbedingt zu erwartende Toleranz unter Beweis stellten.

 Natürlich taten das nicht alle, aber der Rumäne, der von Haus aus ein strenges Maß an Religiosität in die Wiege gelegt bekam, tat sich schwer damit, den eigenen Glauben nicht zu leben.  Beispiele die das belegen, gibt es genügend. Stand zum Beispiel in der Familie eines  Angestellten des Staates eine Taufe an, so wurde diese nicht in der Kirche vollzogen, sondern der Pope nach Hause bestellt, um die christliche Taufe im engsten Familienkreis – ohne Beisein von Öffentlichkeit, zu vollziehen. Dabei war es nicht entscheidend, ob diese Angestellten Parteimitglieder waren oder nicht. Das Verbot galt für alle.

Kurz vor Heiligabend 1957 stand die Evang. Kirchengemeinde in Zeiden ohne Weihnachtsbaum da, da es verboten vor dem 24. Dezember  einen Tannenbaum im Wald zu schlagen. Dieses Verbot galt bis Neujahr. Und da es sich um einen Tannenbaum besonderer Größe handelte und dieser nicht ohne Aufsehen in den Ort gebracht werden konnte, war die Aufregung in der Kirchengemeinde damals groß und das Presbyterium ratlos. Heiligabend ohne Weihnachtsbaum in der Kirche, das war kaum vorstellbar.

Da der Schmiedemeister Franz Schoppel aus der Hintergasse gute Geschäftsbeziehungen zum Forstamt hatte, kam der damalige Kirchenkurator Hans Hiel (Kartschenhiel) auf ihn zu und bat ihn, beim Forstamt vorzusprechen und eine Sondergenehmigung zum Fällen eines Baumes zu erwirken.   Doch der Vorgesetzte des Forstamtes wiegelte diese Bitte mit dem Hinweis auf die Zuständigkeit und Verantwortung des Waldhüters (Förster) ab. Zwischen den beiden ging es  hin und her bis scheinbar  eine mündliche Zusage erteilt wurde. Doch damit war es nicht getan. Der Förster im Grad eines Brigadiers musste eingeschaltet werden, denn die Waldhüter standen unter seiner Aufsicht. Die Bitte wurde an ihn herangetragen und scheinbar eine  Erlaubnis eingeholt. So hatte es den Anschein, dass die Bitte an den Waldhüter des Concordia  Waldes weitergereicht wurde.  Doch fest stand – Verantwortlichkeit hin oder her, eine große, schöne Tanne musste herbeigeschafft werden.

Hans Roth stellte sein  Pferdegespann zur Verfügung und in Begleitung von Kurt Schoppel, Günther Kloos und dem damaligen Altknecht  Michael Zeides fuhr er am nächsten  Tag in den Concordia Wald, in der Gewissheit, dass die mündliche Absprache bis zum Waldhüter vorgedrungen war.  So wurde ohne weitere Bedenken eine große Tanne gefällt und mit weiteren kleinen Bäumchen, die vor Ort geschnitten wurden, auf den Wagen gepackt.  Doch auf dem Nachhauseweg wurde Hans Roth plötzlich vom Waldhüter, der sich von der Fuhre überrascht zeigte,  auf der Hauptstraße angehalten. Er, ganz ahnungslos, wusste von gar nichts, wie sollte er auch, er wurde in diese Gefälligkeitssache gar nicht eingeweiht.  Entsprechend war er verärgert und schlug vor, die Tannen sofort abzuladen und  Brigadier Moraru, so hieß der Mann, aufzusuchen.   Gesagt, getan. Während Schoppel Kurt mit dem Waldhüter den Brigadier zu Hause aufsuchte, hatte der Rest der Mannschaft die Tannen wieder aufgeladen und den schnellen Weg nach Hause angetreten. Das war mit Kurt vorher so vereinbart worden.

Als der Brigadier mit Kurt und dem Waldhüter am späten Abend den Ort aufsuchten, um die Anzahl der Bäume zu zählen und die große Tanne in Augenschein zu nehmen, war der Wagen mit der  Ladung nicht mehr da. Der Ärger war sehr groß – das war verständlich. Es lag wohl ein Missverständnis vor, für das die „Abordnung“ der Zeidner Kirchengemeinde wirklich nichts konnte. Wie sollte sie auch. Sie hatte sich guten Gewissens auf die Zusage des zuständigen Forstamtes verlassen, doch dieses hatte nichts, aber auch gar nichts unternommen.

Die Situation war ernst und sehr verworren. Die Tage danach herrschte Stillschweigen und die  Männer um Schoppel Kurt kostete diese quälende Ungewissheit schlaflose Nächste.  Der damalige Vorfall hätte böse enden können. Auf solche Delikte – es handelte sich um Diebstahl - stand in den 50er Jahren die Gefängnisstrafe. Da es sich bei dem großen Tannenbaum  um eine Weihnachtstanne für die Kirche handelte – das wurde den Männern zu Gute gehalten -  zeigte das Forstamt im Nachhinein Verständnis. Auf eine Anzeige wurde verzichte.

Es bleibt das Geheimnis der Beteiligten  (Pfarrer Bell, Tierarzt August Groß  und Schmiedemeister Franz Schoppel), was damals genau dazu geführt hat,  eine gütige Einigung mit dem Forstamt zu erzielen. Auf jeden Fall wurde auch 1957  wie jedes Jahr an Heilig Abend ein  Gottesdienst gefeiert, bei dem der Anblick des Weihnachtsbaumes, besonders für Hans Roth,  Kurt Schoppel, Michael Zeides und Günther Kloos, in unvergesslicher  Erinnerung blieb.

 Kurt Schoppel/Helmuth Mieskes