Kränzchenkindertreffen vom 13. bis 15. Juni 2008

20 Jahre sollte Udo Buhn mit der Idee zu einem solchen Treffen schwanger gehen, bis sich eine Geburtshelferin fand in Christina Wellmann, geborene Teodorescu, die – von der Idee angetan – die Organisation übernahm. Sie suchte einen gemütlichen Gasthof in dem beschaulichen Ort Erbach im Odenwald aus. 13 Kränzchenkinder reisten am Freitag an, die meisten mit Partner. Groß war die Wiedersehensfreude. Am meisten freute uns indes, dass Lya Canda, die »Lyatant« oder »Lyagodi«, wie sie von uns genannt wurde, dabei sein konnte. Mit ihren 85 Jahren ist sie agil wie eh und je, kann gut erzählen und ist sehr wissbegierig. Dieses Treffen mache sie traurig und froh zugleich, meinte sie. Traurig, weil viele ihrer KränzchenfreundInnen gestorben sind oder aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein können, und froh, dass wir »Kinder« so viele gute Erinnerungen an das Kränzchen unserer Eltern haben.

Am Freitagabend eröffnete Christina unser Treffen, begrüßte alle herzlich, erzählte die Vorgeschichte und informierte über den Ablauf. Udo Buhn las anschließend die Namen aller Kränzchenmitglieder vor, und wir gedachten gerührt derer, die nicht mehr leben.

Netti Königes, geborene Voinea, las anschließend aus den Aufzeichnungen ihrer Mutter Hedwig vor. Die Texte bezogen sich alle auf das Kränzchen und machten den hohen Stellenwert dieser »Institution« deutlich. »In diesem Kränzchen wurde sehr viel gefeiert und Feste organisiert… Kegelabende, Fleckenabende, Hausbälle, Maskenbälle«. Und zum Kaffeekränzchen schreibt sie: »Ein Winter ohne Kaffeekränzchen war wie eine Suppe ohne Salz«. Die Zeit der Auswanderung schlug sich jedoch auch auf die Stimmung in diesem Freundeskreis nieder. Hedwig Voinea schreibt: »In den letzten Jahren drehte sich die Unterhaltung immer nur um Deutschland. Wir wanderten in Gedanken auf Straßen, die wir gar nicht kannten. Anfangs trug sich niemand mit dem Gedanken die Heimat zu verlassen und nach Deutschland auszureisen oder im Stillen doch?« und weiter: »Es begann die Zeit der Auswanderungen, unser Kränzchen schrumpfte immer mehr und eines Tages machten auch wir uns auf den Weg nach Deutschland«.

Lya Canda reiste 1978 aus, nachdem bereits Familie Reimer, Familie Wiener und Familie Buhn das Land verlassen hatten. Hedwig schreibt in einem Brief an Lya: »Über ein Kaffeekränzchen wird nicht gesprochen und ich bin froh darüber… Die Lücken sind zu groß und es wäre mir furchtbar schwer«. Die einzigen Zusammenkünfte erfolgten, wenn »die Ausländer« zu Besuch waren oder jemand verabschiedet wurde.

1983 als sich auch Hedwigs Auswanderung nähert, lebt das Kaffeekränzchen noch einmal kurz auf mit den wenigen noch in Zeiden verbliebenen Kränzchenfreundinnen. »Wir hatten das Bedürfnis, wieder mal zusammen zu sein«. Es war die letzte Kränzchenrunde nach alter Tradition.

So eingestimmt kramte nun jeder alte Fotos und Alben hervor. Natürlich weckten sie zum Teil vergessen geglaubte Erinnerungen, aber es gab auch noch immer Neues zu erfahren. Als wir uns schließlich aufgewühlt »in die Gemächer verzogen«, war es bereits spät nach Mitternacht.

Der Samstag war zunächst der Odenwälder Kultur reserviert. Christina hatte einen Bus organisiert, und ein sympathischer und kompetenter Reiseleiter bereitete uns ein paar interessante und zugleich lehrreiche Stunden. Wir besichtigten unter anderem die Abteikirche in Amorbach, wo wir ein halbstündiges Konzert auf der berühmten Barockorgel hören durften, dann führte uns Herr Schäfer, unser Reiseleiter, zur Haselburg, einem Bauwerk aus der Römerzeit, und schließlich hielten wir in Michelstadt, einem malerischen Ort mit einem prachtvollen spätgotischen Rathaus. Hier frönten wir auch der Ess- und Trinkkultur; die einen im Cafe des Konditorweltmeisters Siefert, die anderen im Michelstädter Rathausbräu. So gestärkt traten wir die Rückfahrt an, schließlich wollten wir pünktlich zur Doboschtorte in unserem Gasthof sein. Weltmeister hin oder her – eine gute Dobosch ist nicht zu schlagen.

Bei strahlendem Sonnenschein plauderten wir auf der Terrasse und betrachteten wieder Fotos von früher, aber auch von heute, vor allem von unseren Kindern, den Kränzchenenkelkindern sozusagen.

Dem Abendessen folgte zunächst eine »Märchenstunde«. Netti las aus dem Buch von Lothar Günther Buchheim »Tage und Nächte steigen aus dem Strom«. Der Autor (besser bekannt als Verfasser des Buches »Das Boot«) beschreibt in dem Kapitel »An Siebenbürgens reichen Tischen« eine Zeidner Hochzeit aus dem Jahr 1938, bei der auch er das Glück hatte, Gast zu sein. Nun erzählten wir von unseren Hochzeiten, wer bei wem »Kranzel« war, was noch rund um den Hochzeitssaal alles ablief und vieles mehr.

Eine lange Vorstellungsrunde folgte, in der jedes Kränzchenkind mehr oder weniger ausführlich seinen Lebenslauf seit der Auswanderung erzählte. Einig waren wir uns alle, dass wir trotz der schwierigen Zeiten eine unbeschwerte Kindheit und Jugendzeit verbracht haben. Georg Reimer erinnert sich besonders gern an die Arbeit in der Bauernwirtschaft seines Großvaters, Christa Wiener ist sehr dankbar, dass sie noch die »Kefjahre« in Zeiden erlebt hat.

Stundenlang hätten wir noch »taudejen« können, hätte uns nicht die Wirtin leidgetan, die unseretwegen wach bleiben musste und schon ganz blass war.

Am Sonntag machten wir noch ausgiebig Fotos, bevor wir uns herzlich umarmten und beschlossen, diese gelungene Begegnung unbedingt zu wiederholen. Einige besichtigten noch das Erbacher Elfenbeinmuseum, andere machten sich gleich auf die Heimreise. Wohl dem, der diese nicht allein antreten musste und einen Gesprächspartner hatte, um über das Erlebte und Empfundene immer und immer wieder zu reden.

Alles in allem hat uns dieses Kränzchenkindertreffen ein sehr gelungenes Wochenende beschert, das noch lange nachwirkt. Herzlichen Dank an Udo, den Initiator, Christina, die Organisatorin, und alle, die dabei waren.

Annette Königes, München

Kränzchen:
Dorothea und Friedrich Buhn
Lya und Josif Canda
Helene und Erich Christel
Gerda und Dr. Erwin Reimer
Rosi und Otto Schneider
Edith und Franz Schnell
Irene und Stefan Teodorescu
Hedwig und Constantin Voinea
Ida und Josef Wiener
Margarete und Peter Zermen
Ida und Erich Ziegler
Anwesende Kränzchenkinder:
Liane Schmidts, geborene Buhn, mit Ottmar
Udo Buhn mit Traute
Marietta Seidel, geborene Canda, mit Gerhard
Victor Canda mit Ursula
Dr. Marliese Schöneberger, geborene Reimer, mit Klaus
Dr. Georg Reimer
Mathias Reimer
Christina Wellmann, geborene Teodorescu, mit Jörg
Dr. Monica Geissing, geborene Teodorescu, mit Günther
Annette Königes, geborene Voinea, mit Hans
Krista Bertleff, geborene Wiener, mit Karl
Heidrun Haag, geborene Zermen
Werner Ziegler mit Krista