Engagierte Lehrer sichern deutschen Unterricht

In der Marktgasse ist heute die deutsche Grundschule.
Die Schüler der 2. Klasse in ihrem Klassenzimmer.
Lehrerin Karmina Vlãdilã.
Die ehemalige Deutsche Schule in der Marktgasse (B-Gebäude). In diesem Gebäude sind jetzt ausschließlich die Schulklassen der rumänischen Unterstufe untergebracht.
Gemeinsam mit ihren vier Kolleginnen unterrichtet Frau Vlãdilã die Klassen 1 bis 4 der deutschsprachigen Unterstufe.
Direktorin Elisabeta Merinde

Bei unserem Besuch in Zeiden im Oktober letzten Jahres konnte ich gemeinsam mit Nachbarvater Udo Buhn einen Einblick in das bekommen, was vom deutschen Schulwesen nach 1989 noch übrig geblieben ist. Im Lauf der letzten Jahre hat sich viel verändert. Besonders die deutsche Schule, die stets einen hohen Stellenwert hatte und Garant für eine hervorragende schulische Ausbildung war, hat, bedingt durch die Auswanderung der Zeidner Sachsen, in den letzten zwei Jahrzehnten Veränderungen erfahren, die epochalen Charakter haben und zu dem heutigen Status quo geführt haben. Viele unter uns fragen sich, wie die deutsche Schule überhaupt noch funktioniert, wenn die evangelische Kirchengemeinde Zeiden nur noch rund 400 Seelen zählt, wenn fast alle deutschen Lehrkräfte ausgewandert sind, wenn kaum deutsche Kinder in Zeiden leben und wenn diejenigen, die die deutschsprachige Schule besuchen, fast ausschließlich sächsisch-rumänischen Mischehen entstammen.

Ich bin dieser Grundsatzfrage nachgegangen und habe gemeinsam mit Karmina Vlãdilã versucht darzulegen, wie sich das deutsche Schulwesen im Schuljahr 2008/2009 in Zeiden darstellt und welche Wünsche und Erwartungen, aber auch berechtigten Befürchtungen die Lehrkräfte dort haben.

Zurzeit gibt es in Zeiden nach wie vor noch einen Kindergarten in der Hintergasse, der als Kindergarten Nr. 6 deutschsprachig geführt wird. Geleitet wird der Kindergarten von Frau Cezarina Vigheci. Ihr untersteht auch die administrative Leitung des rumänischen Kindergartens, der sich auf demselben Hof befindet. Die gute Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Kindergarten funktioniert auch heute noch. Kinder der Vorschulgruppe werden nach dreijähriger Kindergartenzeit behutsam auf den Einstieg ins Schulleben vorbereitet. Verschiedene gemeinsame Aktivitäten, besonders in der Adventszeit, gelegentliche Schulbesuche und das Kennenlernen der neuen Lehrerin reichen in der Regel aus, um die Hemmschwelle der Kinder beim Erstbesuch der Schule zu überwinden. Das Hauptproblem des Kindergartens ist die fehlende Qualifikation des Personals. Leider gibt es kein qualifiziertes Kindergartenfachpersonal (Erzieherinnen). Die zurzeit dort tätigen Mitarbeiterinnen, Heide Oancea, Mara Breckner, Simona Brescan und Susanne Burkhardt, sind dennoch sehr engagiert und bemüht, die Betreuung der Kinder so zu meistern, dass diese fehlende berufliche Qualifikation nicht gar so sehr ins Gewicht fällt.

Da der überwiegende Teil der Kinder, die die deutschsprachige Schulabteilung besuchen möchten, aus rumänischen Familien stammt, werden diese vor der Einschulung auf ihre deutschen Sprachkenntnisse getestet. Grundsätzlich erfolgt die Einschulung im Alter von sieben Jahren. Sind die deutschen Sprachkenntnisse gut, so werden auch Kinder im Alter von sechs Jahren eingeschult. In der Allgemeinschule Nr.1 – diese Schule befindet sich im Gebäude der Alten Neuen Schule in der Marktgasse – ist die deutschsprachige Unterstufe (Klassen 1 bis 4) untergebracht. Momentan gibt es fünf Klassen, da in der 2. Klasse eine Parallelklasse geführt wird. Im Durchschnitt beträgt die Klassenstärke 18 Schüler. Der überwiegende Teil der Schüler kommt aus gutsituierten rumänischen Familien, die gerade wegen der zweiten Fremdsprache die deutschsprachige Abteilung für ihre Kinder bevorzugen. Der Rest (drei bis fünf Kinder pro Klasse) stammt aus sächsischen Familien, in der Regel aus Mischehen. Besonders hervorzuheben ist hier eine ausgezeichnete und effiziente Zusammenarbeit mit den Eltern. In den Klassen 1 bis 4 gibt es neben der Klassenlehrerin bereits auch Fachlehrer. In der 4. Klasse werden zum Beispiel folgende Fächer unterrichtet: Deutsch, Rumänisch, Englisch, Mathematik, Naturkunde, Erdkunde, Geschichte, Musik, Sport, Zeichnen, Handarbeit, Religion und Kinderliteratur.

Für das Fach Deutsch sind sechs bis sieben Wochenstunden vorgesehen, während für das Fach Rumänisch nur drei bis vier Stunden aufgewandt werden. Englisch wird bereits ab der 3. Klasse mit zwei Wochenstunden erteilt. Für das Fach Religion konnte in Abwesenheit eines deutschen Pfarrers Organist Klaus Dieter Untch gewonnen werden. Bis zur Versetzung von Pfarrer Klaus Martin Untch gehörte der Religionsunterricht zum Aufgabenbereich des Stadtpfarrers. Die jetzige Zuteilung ändert sich, sobald ein neuer Pfarrer in Zeiden eingesetzt wird, der bereit ist, den Unterricht zu übernehmen. Die Erteilung des Schulfaches Religion ermöglicht den Kindern auch die Teilnahme an christlichen Festen (Erntedankfest, Weihnachten) in der evangelischen Kirche. Die deutschsprachige Abteilung wird nicht nur der Fremdsprache wegen gewählt. Das reichhaltige Angebot an außerschulischen Aktivitäten mit Eltern und Kindern wird dankbar angenommen und besonders von den Eltern sehr geschätzt.

Die „Şcoala generală Nr. 1“ (Allgemeinschule Nr. 1) steht unter der Leitung von Direktorin Elisabeta Merinde. Zur schulischen Verwaltungseinheit gehören: das A-Gebäude (Schule im Erlenpark), das B-Gebäude (die ehemalige Deutsche Schule in der Marktgasse) und das C-Gebäude (Neue Alte Schule in der Marktgasse).

Die Verantwortung für die deutschsprachige Abteilung (CGebäude) liegt bei Lehrerin Karmina Vlãdilã. Sowohl das B- als auch das C-Gebäude befinden sich im Eigentum der evangelischen Kirche. Das C-Gebäude stellt die Kirchengemeinde der Stadt für eine symbolische Miete von 275 RON im Monat zur Verfügung. Für die Klassen 1 bis 4 wurde eine eigene methodische Kommission gegründet. Lehrer der Oberstufe beteiligen sich an den Kommissionen der rumänischen Abteilung. Auf die Zusammenarbeit zwischen Unter- und Oberstufe wird großer Wert gelegt.

Neben den Direktorinnen und anderen Lehrkräften (Oberstufe) gehören Karmina Vlãdilã und Erwin Albu, als Vertreter des Lokalrates, dem schulischen Verwaltungsausschuss mit Stimmrecht an. Als Vertreter des Deutschen Forums in Zeiden setzt sich Erwin Albu für die Belange der deutschen Schule ein und unterstützt Frau Vlãdilã in ihren Bemühungen, das Bestmögliche für die deutsche Schule zu erreichen. Frau Vlãdilã setzt auf den Dialog mit der rumänischsprachigen Abteilung und der Schulleitung. Das Verhältnis zu Direktorin Merinde und der Schulverwaltung bezeichnet sie als gut. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit trägt bereits Früchte. Dass das Schulbudget künftig gerecht auf die drei Schulgebäude aufgeteilt werden soll, ermöglicht Frau Vlãdilã, im C-Gebäude kleinere, längst fällige Reparaturen durchzuführen. Der Einbau einer Zentralheizung für rund 30.000 Euro ist im Sommer dieses Jahres vorgesehen. Es bleibt abzuwarten, ob diese längst beantragte, jedoch kostenintensive Investition 2009 tatsächlich durchgeführt werden kann.

Das Zeidner Schulwesen ist wie folgt strukturiert. Die Schulen unterstehen der Aufsicht des Kreisinspektorates, das direkt dem rumänischen Unterrichtsministerium untergeordnet ist. Vor Ort gibt es keine schulische Behörde, auch wenn das Rathaus den Schulen den finanziellen Rahmen vorgibt und für den Bereich der schulischen Liegenschaften mitverantwortlich ist. Die direkte Kontrolle der Lehrkräfte erfolgt über die Direktorin. Außerdem unterstehen die Schule und insbesondere die Lehrkräfte der Aufsicht der Schulinspektoren aus Kronstadt. Die Besoldung der Lehrer erfolgt über das Rathaus in Zeiden. Das Geld zur Deckung der Personalkosten wird direkt vom Unterrichtsministerium aus Bukarest zugewiesen.

Zunehmend bereitet der Mangel an deutschsprachigen Lehrern Probleme. Die Sorge um die Zukunft der deutschsprachigen Abteilung ist deshalb berechtigt. Hält der einsetzende Trend an, so ist es laut Karmina Vlãdilã „nur eine Frage der Zeit, bis die deutschsprachige Abteilung geschlossen werden muss“. Es liegt auf der Hand, dass die künftigen Anmeldezahlen rückläufig sein werden, wenn die deutschen Lehrkräfte fehlen. Die Eltern legen Wert auf eine qualifizierte schulische Ausbildung ihrer Kinder, die ihnen gute berufliche Perspektiven bietet. Ist diese Qualität nicht mehr gewährleistet, verliert die deutschsprachige Abteilung rapide an Bedeutung. Als Problem besonderer Art wird die Auflösung der Schulen für die Ausbildung des Lehrpersonals (Peda-Schulen) in Temeswar und Hermannstadt angesehen. Die Ausbildung zum Lehrer ist jetzt leider nur noch in Klausenburg möglich. Den Studierwilligen steht natürlich der Weg zur Universität offen.

Nach der Unterstufe haben die Schüler weiterhin die Möglichkeit, die deutschsprachige Schule bis zur 8. Klasse in Zeiden zu besuchen. Dafür wechseln sie aus dem Gebäude C in das Gebäude A im Erlenpark. Als Alternative steht ihnen ein Wechsel ab der 5. Klasse in die rumänische Abteilung oder gar der Wechsel ins Honterus-Lyzeum nach Kronstadt offen. Der Besuch einer 12er-Schule (12 Klassen) in Kronstadt – sie weist in den letzten Jahren bessere Ergebnisse als das Honterus-Lyzeum auf – stellt für die besten Schüler eine weitere Möglichkeit dar. Was für die Unterstufe gilt, gilt auch für die Oberstufe der deutschsprachigen Abteilung in Zeiden: Der Lehrermangel ist besorgniserregend. Fachlehrer unterrichten sogar mehrere (fachfremde) Fächer. Das Fehlen an didaktischem Unterrichtsmaterial macht die Gestaltung eines modernen, zeitgemäßen Unterrichts nicht gerade einfach. Da die Besoldung der Lehrer auch nach dem Eintritt in die EU nicht üppig ist, verliert der Lehrerberuf in der Gesellschaft zunehmend an Attraktivität.

In Zeiden gibt es noch zwei Lyzeen: das „Liceul teoretic“ (Theoretisches Lyzeum) und das Lyzeum „Grup şcolar Simon Mehedinţ“. Hierbei handelt es sich um rein rumänische Bildungseinrichtungen. Ein deutsches Lyzeum gibt es schon lange nicht mehr. Für Schüler aus Zeiden, die nach der 8. Klasse ein deutschsprachiges Lyzeum besuchen möchten, steht das Honterus- Lyzeum in Kronstadt als nächstgelegenstes zur Verfügung. Der Besuch des Honterus-Lyzeums ist neuerdings mit einer Studiumsverpflichtung verbunden.

Schülern, die keine weiterführende Schule besuchen, steht die Berufsschule „Şcoala de Arte şi Meserii Codlea“ (früher „profesională“) offen. Das Lyzeum „Simon Mehedinţ“ unterhält zusätzlich eine Berufsschule gleicher Art. Beide Schulen sind vorwiegend auf Handwerksberufe ausgerichtet. Der vorstehende Bericht über die Situation der deutschen Schule in Zeiden macht deutlich, dass die deutsche Schulabteilung nach dem jetzigen Stand der Dinge auf Dauer nur noch geringe Überlebenschancen hat. Eine Änderung der momentanen Konstellation (allgemeine Situation, offensichtlicher Lehrermangel, Schülerzahlen, Kostenfaktor) ist kaum vorstellbar. Feststeht, dass die deutsche Abteilung sich in Zeiden zurzeit noch eines guten Rufes erfreut und die deutschen Lehrkräfte bemüht sind, die Abteilung so lange wie möglich zu erhalten. Fragt man die Lehrkräfte nach ihren Wünschen, so steht neben dem nach einer besseren Besoldung der Wunsch nach einem höheren Maß an Unterstützung sowohl durch die Kirchengemeinde als auch durch die Zeidner Nachbarschaft ganz oben. Besonders bei der didaktischen Ausstattung (Bücher, Arbeitshefte, Bastelmaterial, Wörterbücher) fehlt es an allen Ecken und Enden. Vorstellbar wäre auch eine Partnerschaft mit einer Schule in Deutschland und der Einsatz von Lehrkräften aus Deutschland. Visionen und Ideen sind durchaus vorhanden. Inwieweit sie gerade heute realisierbar sind, sei dahingestellt.

Ich persönlich war bei meinem Besuch in Zeiden sehr angetan vom Engagement und den ideenreichen Vorhaben der jungen Lehrkräfte. Besonders ihre Sorge um das renovierungsbedürftige Gebäude in der Marktgasse, ihre Bemühungen um eine gerechte administrative Behandlung und die Sorge um den Erhalt deutscher Werte in der schulischen und außerschulischen Erziehung hat mich positiv überrascht und sehr beeindruckt. Unter erschwerten Bedingungen, die man im gemeinsamen Gespräch vor Ort sofort erkennt, führen sie hinsichtlich des Fortbestehens der deutschen Schule in Zeiden einen wohl hoffnungslosen Überlebenskampf. Vielleicht sind sie die Letzten, die das Kapitel einer erfolgreichen deutschen Schulgeschichte in Zeiden schreiben und irgendwann abschließen werden. Ich bin mir jedoch sicher, dass es nicht in ihrer Macht liegt, diesen Zeitpunkt festzusetzen.

Nachtrag: Die Zeidner Nachbarschaft hat den Hilferuf aus Zeiden vernommen und ist für die „Stiftung Zeiden“, die einen finanziellen Beitrag zur Beschaffung von Lehr- und Arbeitsmaterialien leisten möchte, bereits in Vorleistung getreten. Sie hat, in Absprache mit Karmina Vlãdilã, der deutschen Schule eine Unterstützung zukommen lassen.

Helmuth Mieskes